Die Herausforderungen grenzüberschreitender Zahlungen

Grenzüberschreitende Zahlungen boomen, werden von vielen aber als langsam, unübersichtlich und teuer wahrgenommen. Lass dir von Xavier Lavayssière, Experte für digitale Finanzen, alles dazu erklären.
Lesezeit: 8 Min.
Wenn du in Bolivien eine Tasse Kaffee bezahlst, löst du eine internationale Kettenreaktion aus. Der Zahlungsvorgang mag für dich völlig alltäglich erscheinen, aber im Hintergrund passiert viel mehr, als du denkst. Das Geld wird zunächst von deinem Bankkonto abgebucht, auf den internationalen Märkten in die lokale Währung, den Boliviano, umgetauscht und landet schließlich auf dem Konto des Cafés in La Paz – und dabei ist es möglicherweise länger unterwegs als du selbst.Insgesamt sind Auslandszahlungen ein wesentlicher Bestandteil des globalen Handels und der Finanzwelt, die jedes Jahr Billionen von Dollar ausmachen. Dieser Sektor boomt und verzeichnet zweistellige Wachstumsraten, insbesondere durch die Entwicklung des E-Commerce und die wachsende Beliebtheit von internationalen Reisen.Allerdings bleiben internationale Transaktionen weiterhin langsam, unübersichtlich und teuer. Diese Punkte sind so bedeutend, dass die wichtigsten Volkswirtschaften der Welt im Jahr 2020 eine Optimierung grenzüberschreitender Zahlungen zu einer Priorität der G20 machten. Sie setzten sich Ziele, um niedrigere Kosten, mehr Transparenz, Zugang und Geschwindigkeit sicherzustellen. Trotz dieser Bemühungen und neuer Angebote sind die Ergebnisse jedoch nach wie vor unbefriedigend.In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Möglichkeiten für grenzüberschreitende Zahlungen, erklären ihre Funktionsweise und geben dir einen Ausblick auf die Zukunft.

Was sind grenzüberschreitende Zahlungen?

Grenzüberschreitende Zahlungen sind Finanztransaktionen zwischen Parteien in verschiedenen Ländern. Zahlende und EmpfängerInnen können sich unter Umständen sogar im selben Land befinden, das Geld überschreitet während einer solchen Zahlung definitionsgemäß jedoch internationale Grenzen oder wird auf dem Weg von einem Konto zum anderen Konto in eine andere Währung umgetauscht.

Es gibt drei Hauptkategorien von grenzüberschreitenden Zahlungen:

  1. Einzelhandelszahlungen sind typische Alltagsgeschäfte. Zum Beispiel kaufst du eine handgefertigte Tasche in einem kleinen Geschäft in Marokko über die dazugehörige Webseite oder ein Bootsticket für eine Fahrt zwischen griechischen Inseln. Einzelhandelszahlungen umfassen über den Privatsektor hinaus aber auch viele geschäftliche Transaktionen zwischen Unternehmen.
  2. Großhandelszahlungen sind umfangreiche Transaktionen, die meist zwischen Finanzinstituten, großen Unternehmen oder Regierungen stattfinden. Ein Beispiel dafür ist eine ausländische Hilfszahlung, die von einem Staat an ein anderes Land gezahlt wird.
  3. Geldsendungen sind Geldtransfers, die oft von Expats oder Gastarbeitern an ihre Familien getätigt werden. Entsprechende Überweisungen fließen üblicherweise von wohlhabenderen Ländern in Schwellenländer. Gemessen am Volumen sind Indien, Mexiko und China die größten Empfänger solcher Zahlungen. In Ländern wie Tadschikistan, Tonga, Samoa, Libanon und Nicaragua machen Geldsendungen sogar einen nicht unerheblichen Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus.

Wie kannst du eine grenzüberschreitende Zahlung durchführen?

Kartenzahlungen

Für die meisten NutzerInnen mit einem klassischen Bankkonto ist die einfachste Möglichkeit zum Bezahlen im Ausland eine Kredit- oder einer Debitkarte. Die Karten von Anbietern wie Visa und Mastercard können nahezu weltweit genutzt werden, auch wenn sie nicht alle Händler akzeptieren. Die praktischen Karten ermöglichen Reisenden einen bequemen Geldtransfer zwischen ihrem Bankkonto und dem Konto des Händlers. Kredit- und Debitkarten sind einfach nutzbar, aber der Prozess, der im Hintergrund abläuft, ist sehr komplex – wie wir noch lernen werden.

Überweisungen und Geldsendungen

Alternativ kannst du Überweisungen oder Geldtransfers für internationale Zahlungen nutzen. Dabei greifst du auf die Website oder eine lokale Filiale des jeweiligen Anbieters zurück, um eine Überweisung in Auftrag zu geben. Auf der Seite des Empfängers bzw. der Empfängerin kann das Geld dann auf einem Bankkonto verbucht oder direkt als Bargeld abgeholt werden. Western Union und MoneyGram sind die bekanntesten Anbieter solcher internationaler Zahlungsdienstleistungen und haben weltweit große Netzwerke aufgebaut, zu denen viele Menschen Zugang haben. Die Kosten für solche Überweisungen variieren zwischen verschiedenen Ländern (sogenannte “Korridore”) jedoch stark und sind unter Umständen extrem hoch. Beispielsweise kann das Senden von 200 $ aus den USA nach Nigeria weniger als 4 $ an Gebühren kosten, während über 20 $ fällig werden können, wenn du den gleichen Betrag von Japan nach Indien überweist.

Digitale Wallets

Dank digitaler Wallets und moderner Fintech-Angebote sind Zahlungen ins Ausland heutzutage einfacher realisierbar. WeChat und Alipay haben ihre Systeme erfolgreich in ihrem Heimatmarkt China und in benachbarten Ländern etabliert. Der Erfolg der beiden Bezahlsysteme beruht vor allem auf wettbewerbsorientierten Konzepten für Benutzeroberflächen und Preise. Ebenso bieten Schnellzahlungssysteme in Südostasien mittlerweile reibungslose und zügige grenzüberschreitende Zahlungen an. Ein weiteres Praxisbeispiel ist die Zusammenarbeit zwischen PayNow aus Singapur und PromptPay aus Thailand, die es NutzerInnen ermöglicht, Geld zwischen beiden Ländern lediglich mit einer Handynummer oder einem QR-Code zu senden.

Kryptowährungen

Eine noch recht neue Option für internationale Zahlungen sind Kryptowährungen – insbesondere sogenannte Stablecoins. Eine Freiberuflerin in Argentinien könnte etwa bequem und mit nur wenigen Klicks in einem an den US-Dollar gekoppelten Stablecoin bezahlt werden. Während manche Kryptowährungen noch umständlich zu nutzen sind, bieten sich einige Stablecoins bereits gut für große Transaktionen an und könnten in Zukunft möglicherweise ganz neue Einkaufserlebnisse und Zahlungswege ermöglichen. Spannend ist zudem, dass die Entwicklung von Kryptowährungen und Stablecoins Hand in Hand mit der Tokenisierung von Vermögenswerten einhergeht.

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In welcher Währung werden grenzüberschreitende Zahlungen abgewickelt?

Ein wichtiges Thema bei internationalen Zahlungen ist die Wahl der richtigen Währung. Als VerbraucherIn möchtest du vielleicht deine Heimatwährung nutzen, mit der du vertraut bist, während der Händler üblicherweise in seiner lokalen Währung bezahlt werden möchte. Normalerweise kannst du deine Präferenz oft einfach bei der Bezahlung selbst auswählen. Für Unternehmen ist die Wahl der richtigen Währung möglicherweise aber auch strategisch wichtig. Zum Beispiel könnte ein Textilhersteller in Vietnam es bevorzugen, in der Währung bezahlt zu werden, die er auch für den Import von Stoffen nutzt.Die meisten internationalen Transaktionen werden deshalb derzeit in US-Dollar abgewickelt. Der US-Dollar hat sich als Leitwährung etabliert, weil er als sicherer Wertspeicher gilt und als gemeinsame Basis im Devisenhandel praktisch ist. Der Euro konnte trotz seiner Stabilität nie eine ähnliche Rolle einnehmen. Aufgrund geopolitischer Entwicklungen gewinnen andere Währungen wie der kanadische Dollar, der chinesische Renminbi und der australische Dollar aber in einigen Regionen durchaus an Bedeutung.

Was passiert bei grenzüberschreitenden Zahlungen hinter den Kulissen?

Du kannst dir grenzüberschreitende Zahlungen wie einen Staffellauf vorstellen, bei dem mehrere Teilnehmende nötig sind, um eine Zahlung ans Ziel zu bringen. Wenn du deine Karte im Ausland in das Zahlungsterminal steckst oder einen internationalen Geldtransfer in Auftrag gibst, wird das Geld zunächst von deinem Bankkonto abgebucht. Wenn deine Bank eine direkte Beziehung zur Bank des Händlers hat, genügt eine einfache Nachricht über das SWIFT-Netzwerk – ein Verfahren, das sich “Korrespondenzbankgeschäft” nennt.In vielen Fällen muss deine Zahlung zunächst zahlreiche Zwischenstationen im Inland durchlaufen, bis eine Bank gefunden ist, die eine etablierte Verbindung zum Land des Zahlungsempfängers hat – und im Empfängerland sind dann noch einmal viele Zwischenstationen nötig. Möglicherweise gibt es auch überhaupt noch kein etabliertes Netzwerk, auf das die involvierten Banken zurückgreifen können, weil einige Länder immer noch nicht optimal an den internationalen Zahlungsverkehr angebunden sind.Die Folge: Die Zahlung dauert. Schlimmstenfalls sorgen Arbeitszeitbeschränkungen, Kompatibilitätsprobleme und die verschiedenen Nachrichtensysteme sogar für zusätzliche Verzögerungen. Eine interessante Tatsache ist in dem Zusammenhang, dass eine internationale Zahlung, die “der Sonne folgt”, also von Ost nach West wandert, in der Regel schneller ist als eine Zahlung, die sich in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Eine Überweisung von Shanghai nach London ist dementsprechend oft schneller abgeschlossen als eine Transaktion von London nach Shanghai.Während des internationalen Zahlungsprozesses kann es zu einem Währungsumtausch kommen – und das ist oft der teuerste Teil einer grenzüberschreitenden Transaktion. Möglicherweise tauschen auf dem Weg von einem Konto zum anderen Konto gleich mehrere beteiligte Banken das Geld um, erheben dafür jeweils eine Gebühr und nutzen zudem nicht immer den besten Wechselkurs.Zu guter Letzt ist die Gutschrift auf dem Konto des Empfängers bzw. der Empfängerin oft der Teilschritt einer internationalen Zahlung, der besonders viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Verzögerung beim Buchen liegt häufig an zahlreichen Compliance-Vorschriften und den damit verbundenen Überprüfungen. Finanzinstitute müssen sicherstellen, dass die Zahlung nicht an eine sanktionierte Person oder Organisation geht und dass sie nicht für illegale Aktivitäten wie Drogenhandel genutzt wird. Auch die Einhaltung verschiedener Anti-Geldwäsche-Vorschriften (anti-money laundering, kurz: AML) erhöht die Komplexität und die Kosten im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr.

Wie sieht die Zukunft aus?

Trotz geopolitischer Spannungen sieht die Zukunft für Auslandszahlungen vielversprechend aus. Die Globalisierung sorgt dafür, dass die Weltwirtschaft immer stärker vernetzt ist und der Bedarf an effizienten Lösungen für internationale Transaktionen weiter wächst.Es zeichnen sich drei Entwicklungen ab. Erstens legen Standardisierungen und verbesserte Infrastrukturen den Grundstein für schnellere, transparentere und kostengünstigere Transaktionen in der Zukunft. Standards wie ISO 20022 sorgen für eine einheitliche Sprache, während Projekte wie mBridge programmierbare Plattformen für den internationalen Zahlungsverkehr schaffen.Zweitens reduzieren gezielte Vereinfachungen bei den Regulierungen Kosten und Bearbeitungszeiten. Zu den Lösungen gehören optimierte Richtlinien, eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbehörden, digitale Identitäten und der Einsatz von KI. Drittens werden ein gesunder Wettbewerb sowie Transparenz bei den Gebühren und möglichen Verzögerungen VerbraucherInnen und Unternehmen zukünftig bessere Auswahlmöglichkeiten bieten.

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VON XAVIER LAVAYSSIÈREExperte für digitale Finanzen, er berät Regierungen und Zentralbanken zu Finanzinfrastrukturen und Technologiepolitik.

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