Was der Pay Gap für queere Menschen bedeutet

Erfahre, was der Queer und Sexuality Pay Gap ist und welche Gründe die finanzielle Ungleichheit in der LGBTQIA+ Community hat.

Lesezeit: 8 Min.

Vom Gender Pay Gap hast du wahrscheinlich schon gehört. Er beschreibt die Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern und erklärt, warum Frauen im Schnitt weniger verdienen. Allerdings basiert die Kennzahl auf einem binären bzw. heteronormativen System, geht also nur von zwei Geschlechtern aus. Doch was ist mit Menschen, die sich als nonbinär oder queer identifizieren? Sind sie vom Pay Gap ebenfalls betroffen? Auch die sexuelle Orientierung sollte berücksichtigt werden, denn sie ist für viele Menschen genau wie das Geschlecht stark mit der eigenen Identität verknüpft. In diesem Artikel erfährst du mehr über den Queer sowie Sexuality Pay Gap und welche gesellschaftlichen Auswirkungen ungleiche Bezahlung hat.

Die Bedeutung von queer, nonbinär und Co. 

Heißt es LGBTQ oder LGBTQIA+? Haben nichtbinär und queer dieselbe Bedeutung? Und was ist heteronormativ? Bevor wir uns dem Pay Gap widmen, findest du hier die wichtigsten Begriffserklärungen im Überblick. Weitere Definitionen findest du im Glossar der Freien Universität Berlin als PDF-Download.

  • LGBTQIA+ = Die Abkürzungsteht für Lesbian, Gay, Bi, Trans, Queer, Intersexual, Asexual. Das Pluszeichen schließt alle Menschen ein, die sich als etwas anderes identifizieren. Es berücksichtigt auch, dass Identität dynamisch ist, Menschen sich im Laufe ihres Lebens also ändern können. Die Abkürzung LGBTQ klammert die Inter- und Asexualität sowie Menschen anderer Orientierung nicht explizit ein, wird aber ebenfalls genutzt.
  • Lesbian = lesbisch, beschreibt Frauen, die sich zu Frauen hingezogen fühlen
  • Gay = schwul, also Männer, die gleichgeschlechtlich lieben
  • Bi = bisexuell, Menschen dieser sexuellen Orientierung mögen sowohl Frauen als auch Männer
  • Trans = transsexuell, Transpersonen fühlen sich nicht mit dem Geschlecht verbunden, das ihnen bei ihrer Geburt aufgrund äußerer Merkmale zugeschrieben wurde. Es geht also vor allem um die geschlechtliche Identität und weniger um die sexuelle Orientierung. Daher wird auch der Begriff Transgender genutzt. 
  • Queer = andersartig. Ähnlich wie das Pluszeichen umfasst auch queer Menschen, die sich nicht genau einordnen möchten. Was sie vereint ist, dass sie nicht heterosexuell und nichtbinär sind.
  • Intersexual = intersexuell, beschreibt Menschen, deren Geschlecht sich medizinisch betrachtet nicht eindeutig zuordnen lässt 
  • Asexual = asexuell heißt, wenig oder gar kein Interesse an Sex zu haben, egal mit welchem Geschlecht
  • Nonbinary = non- oder nichtbinär, heißt so viel wie “nicht entweder oder”, sondern berücksichtigt andere Geschlechter und Orientierungen, die das binäre bzw. heteronormative Ordnungsprinzip ausschließt
  • Heteronormativität = ein Ordnungssystem, das Menschen in zwei Geschlechter einteilt und davon ausgeht, dass sich nur Menschen gegensätzlichen Geschlechts anziehen. Außerdem setzt Heteronormativität voraus, dass das soziale und das biologische Geschlecht kongruent sind, also übereinstimmen.
  • Cisgender = Cisgeschlecht. Wer sich als Cis-Frau oder Cis-Mann bezeichnet, identifiziert sich mit dem Geschlecht, das ihr oder ihm bei der Geburt zugewiesen wurde. Damit soll verdeutlicht werden, dass Geschlechter (und vor allem Geschlechterrollen) soziale Konstrukte sind und sie Menschen von Geburt an auf eine bestimmte Identität festlegen – zum Nachteil von all denjenigen, die mit ihrem “offiziellen” Geschlecht hadern und aufgrund dessen Diskriminierung erfahren. 
  • Pride = Stolz. Da Menschen aus der LGBTQIA+ Community unterrepräsentiert sind und oft diskriminiert werden, feiern sie beispielsweise auf Paraden wie dem Christopher Street Day oder während des Pride Month ihre Einzigartigkeit und fordern mehr Gleichberechtigung. Pride kann aber auch ein Lebensgefühl beschreiben, also den Stolz, sich selbst anzunehmen, statt die eigene Identität zu verleugnen. Seinen Ursprung hat der Begriff in der Lesben- und Schwulenbewegung in den USA in den späten 1960er Jahren. Im Juni 1969 gingen zahlreiche Menschen der LGB-Community sechs Tage lang in Manhattan auf die Straße, um für ihre Rechte einzustehen. Der Pride Month erinnert seit 1970 an den Aufstand, der als Wendepunkt in der Geschichte der Bewegung gilt.

Was sind Queer und Sexuality Pay Gap?

Die Liste verdeutlicht: Die Welt besteht nicht nur aus heterosexuellen Männern und Frauen. Deshalb ist auch der Gender Pay Gap nur ein Ausschnitt dessen, was ungleiche Bezahlung in der Realität bedeutet. Nicht nur Frauen verdienten in Deutschland 18 % weniger Geld als Männer. Auch homosexuelle Männer bekamen durchschnittlich 2,14 Euro weniger pro Stunde als heterosexuelle Männer. Das ergab eine 2017 veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) mit 459 Befragten. Eine 2022 veröffentlichte Metaanalyse von 50 Studien bestätigt den sogenannten Sexuality Gap – also ungleiche Bezahlung aufgrund der sexuellen Orientierung.

Auch nonbinäre und transgeschlechtliche Personen erhalten weniger Geld auf ihr Gehaltskonto. In Großbritannien betrug der sogenannte Queer Pay Gap zum Beispiel 16 %. Das heißt, queere Menschen bekamen durchschnittlich 6.703 £ (7.825,7 €) weniger Gehalt als ihre heterosexuellen Cis-KollegInnen. Bei Transpersonen betrug die Gehaltslücke im Vereinigten Königreich 13 %, ihr Einkommen war um durchschnittlich 5.340 £ (6.234,4 €) geringer. Für die Umfrage von YouGov, LinkedIn und UK Black Pride aus dem Jahr 2019 wurden 4.000 Menschen befragt. Auch eine niederländische Studie fand 2015 heraus, dass Menschen nach einer Geschlechtsumwandlung 20 % weniger Gehalt bekamen – allerdings nur, wenn das männliche in ein weibliches Geschlecht umgewandelt wurde. Hier zeigte sich also auch der traditionelle Gender Pay Gap.

Diskriminierung findet auch innerhalb der Community statt (die sogenannte Mehrfachdiskriminierung). So verdienten laut einer Auswertung der HRC Foundation in 2021 schwarze Mitglieder der US-amerikanischen LGBTQIA+ Community 10 Cent weniger als lateinamerikanische und sogar 17 Cent weniger als weiße Mitglieder. Lesbische Frauen hatten laut einer Metaanalyse von 50 Studien in 2022 einen Lohnvorteil gegenüber homosexuellen Männern. Auch wenn sie wie ihre heterosexuellen Kolleginnen vom Gender Pay Gap betroffen sind, werden sie wegen ihrer sexuellen Orientierung offenbar weniger benachteiligt als schwule Männer.

In den USA kommt eine Studie aus 2013 jedoch zu einem anderen Ergebnis. Das Williams Institute fand heraus, dass Frauen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen 12.000 $ (11.002,3 €) weniger pro Jahr verdienten als Männer in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Ihr medianes Einkommen betrug 38.000 $ (34.840,7 €), das der männlichen Paare 47.000 $ (43.092,4 €). In einer neueren Untersuchung des Hamilton Project betrug die Sexuality Pay Gap 2022 sogar 30.000 $ (27.505,8 €). Allerdings betrachten beide Studien Paare, es ist also durchaus möglich, dass eine lesbische Frau mehr verdient als ihre Partnerin, wenn sich diese zum Beispiel um gemeinsame Kinder kümmert.

Gründe für den Pay Gap

Auch wenn das Thema nicht ausreichend erforscht ist und Studien teils widersprüchliche Ergebnisse liefern: Die Gehaltslücke zwischen heterosexuellen Menschen und Personen aus der LGBTQIA+ Community ist real. Dafür gibt es viele mögliche Gründe. Eine Erklärung für den Sexuality Gay Gap könnte zum Beispiel sein, dass der Großteil der Führungspositionen in Unternehmen mit heterosexuellen Männern besetzt sind, die schwule Männer eher diskriminieren sollen. Ein weiterer Grund könnte die Berufswahl bzw. die Branche sein. So tendieren schwule Männer laut der DIW Studie eher zu sozialen oder künstlerischen Berufen, die generell schlechter bezahlt sind.

Bei queeren und Transpersonen könnten die Ursachen für den Pay Gap auch psychologischer Natur sein. Zum einen werden Menschen, die sich nicht mit ihrem biologischen oder zugewiesenen Geschlecht identifizieren, diskriminiert, weil sie nicht dem heteronormativen Prinzip entsprechen. Heterosexuelle Menschen können Transpersonen oft nicht einordnen, sie erscheinen ihnen fremd – und das macht ihnen möglicherweise Angst. Diese Angst vor dem Fremden hat evolutionäre Gründe und äußert sich heute zum Beispiel in Form von Ablehnung ausländischer oder nonbinärer Menschen. Bis 2018 wurde Transsexualität von der World Health Organisation sogar als Erkrankung mit eigenem Diagnoseschlüssel betrachtet – was zeigt, wie tief die Ablehnung von Transgender-Personen gesellschaftlich verankert war und noch immer ist. 

Queere, Intersexuelle und Transpersonen haben zudem oft einen hohen Leidensdruck, eben weil sie mit ihrer Identität hadern oder sie nicht frei ausleben dürfen. Das hat psychische Folgen wie Depressionen, Angststörungen, Suchtverhalten oder Suizidgedanken, die den beruflichen Erfolg einschränken und die Lebensqualität mindern können. Mit einem geringen Selbstwertgefühl fällt es zum Beispiel schwerer, erfolgreiche Gehaltsverhandlungen zu führen. Depressionen gehen oft mit körperlichen Symptomen wie Konzentrationsschwäche, Müdigkeit oder Gewichtsverlust einher, was Arbeiten schwierig macht. Übrigens ist auch ein Burnout eine Art von Depression. Menschen, die aufgrund ihrer Identität oder sexuellen Orientierung diskriminiert werden, strengen sich möglicherweise besonders an, um berufliche Anerkennung zu erhalten. Dieser anhaltende Stress und Perfektionismus kann zu einem Burnout und einer langen Krankschreibung führen – und die Gehaltslücke vergrößern.  

Welche Auswirkungen hat der Queer Pay Gap?

Die Queer und Sexuality Pay Gaps bedeuten nicht nur finanzielle Nachteile für Angehörige der LGBTQIA+ Community. Sie verschärfen auch die Diskriminierung in anderen Lebensbereichen. Wer finanziell schlechter gestellt ist, hat oft auch weniger Zugang zu Kultur und Freizeitangeboten oder muss für günstigen Wohnraum an den Stadtrand ziehen. Diese Marginalisierung verhindert, dass sich Menschen unterschiedlichster Herkunft und Identität begegnen. Das schürt Vorurteile gegenüber der Community und verstärkt das Gefühl queerer Menschen, nicht dazuzugehören. 

Weniger Einkommen bedeutet auch weniger Rentenbeiträge. Frauen sind aufgrund des Gender Pay Gap zum Beispiel stärker von Altersarmut betroffen. Schuld daran ist nicht nur die ungleiche Bezahlung, sondern auch die Motherhood Penalty, also wenn Mütter aufgrund der Kinderbetreuung öfter in Teilzeit arbeiten und entsprechend weniger verdienen. Angehörige der LGBTQIA+ Community sind wegen des Pay Gap ebenfalls gefährdeter, im Rentenalter nicht ausreichend finanziell abgesichert zu sein. Armut – egal ob im Renten-, Erwerbs- oder Kindesalter – hat negative Folgen für das Individuum und die Gesellschaft als Ganzes. Armut mindert die Wirtschaftsleistung und schwächt den Sozialstaat, zum Beispiel, weil die Steuereinahmen sinken und die Summe der Transferleistungen steigt. Auch deshalb ist es wichtig, dass Initiativen wie der Equal Pay Day und Pride-Paraden auf die Gehaltslücke aufmerksam machen und die (finanzielle) Benachteiligung bestimmter Gruppen bekämpft wird. 

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Von N26

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