Die Rolle der KI im Zahlungsverkehr und Banking
Künstliche Intelligenz verändert das Banking durch verbesserte Betrugserkennung, Risikobewertung und Kundenbetreuung. Xavier Lavayssière beleuchtet das Potenzial und die Herausforderungen von KI.
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Gerade hast du ein Video über eine engagierte Lehrerin gesehen, die in Mali eine Schule baut. Du bist von ihrem Einsatz beeindruckt und entscheidest dich dazu, das Projekt mit einer Spende unterstützen. Also öffnest du deine Banking-App, gibst die Daten der Hilfsorganisation ein und drückst auf “überweisen”. Aber hast du dich schon einmal gefragt, wie deine Bank sicherstellt, dass deine Unterstützung tatsächlich der Schulausbildung von Kindern dient und nicht versehentlich in den Händen von Betrügern landet oder sogar eine bewaffnete Gruppe in der Region finanziert?Banken und Fintechs spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, unsere Finanztransaktionen zu schützen. Sie haben Technologien entwickelt, um dich und den Empfänger bzw. die Empfängerin zu identifizieren, verdächtige Transaktionsmuster zu erkennen und Risiken einzuschätzen. Künstliche Intelligenz revolutioniert gerade diese Prozesse. Aber lass uns zunächst einen Blick auf die bisherigen Ansätze und Methoden werfen. Der erste Schritt ist die Risikobewertung. Zum Beispiel: Wo passiert mehr Betrug – bei Kreditkarten oder bei Überweisungen? Solche statistischen Methoden sind schon lange ein bewährtes Werkzeug in der Bankenwelt. Bereits in der frühen Renaissance griff der florentinische Bankier und Staatsmann Giovanni Villani auf einfache statistische Methoden zurück, um Trends im Hinblick auf Bevölkerung, Bildung und Handel zu analysieren. Im Zahlungsverkehr helfen statistische Modelle dabei, die Betrugswahrscheinlichkeit einzuschätzen. Transaktionen, die bestimmte Kriterien erfüllen, werden als verdächtig markiert oder sogar blockiert, bis AnalystInnen über das weitere Vorgehen entscheiden. Die Entwicklung, der Einsatz und die manuelle Kontrolle solcher Methoden kann allerdings zeitaufwendig und teuer sein. Nach der Risikoerkennung kommt das regelbasierte Matching ins Spiel. Ein Beispiel dafür ist die korrekte Zuordnung von Kreditrückzahlungen zu den richtigen Krediten – womit Banken oft Schwierigkeiten haben. Bei meinem ersten Praktikum in einer internationalen Entwicklungsbank habe ich ein Programm entwickelt, das eingehende SWIFT-Zahlungen mit der Liste von erwarteten Zahlungen abgleicht. Ich habe in der Datenbank häufig auftretende Probleme und typische Tippfehler identifiziert und anschließend Regeln ausgearbeitet, um den Abgleich zu automatisieren: Zahlungen waren eher zu spät als zu früh, Beträge konnten aufgrund von Währungsumrechnungen um einige Prozentpunkte abweichen und Vertragsnummern tauchten häufig an unterschiedlichen Stellen auf. Der große Vorteil von KI ist, dass sie Muster erkennen kann, ohne explizit programmiert zu werden. Mit maschinellem Lernen kann eine KI riesige Mengen an vorab als legitim oder betrügerisch markierten Transaktionsdaten analysieren und lernen, welche Muster auf einen möglichen Betrug hindeuten. Die KI könnte etwa feststellen, dass betrügerische Transaktionen oft in einer gewissen Reihenfolge stattfinden oder immer wieder bestimmte Merkmale aufweisen.Im Kern ähnelt die Logik der KI den bisherigen statistischen Modellen und regelbasierten Erkennungsmethoden. Der große Unterschied: KI kann sich in Echtzeit an neue Szenarien und Betrugsmethoden anpassen, verarbeitet auch große Datenmengen schnell, lernt stetig dazu und wird immer genauer.Deep Learning und Large Language Models (LLMs) gehen sogar noch weiter. Sie ahmen die Funktion des menschlichen Gehirns nach und ermöglichen durch umfangreiche Schnittstellen jedem eine Interaktion in natürlicher Sprache. Zudem können sie auch unstrukturierte Daten verarbeiten. Der Durchbruch der generativen KI hat die breite Masse auf das Thema KI aufmerksam gemacht und die Entwicklung vieler neuer Anwendungen im Bankensektor angestoßen. Bei der Betrugsbekämpfung kann eine KI-gestützte Bildverarbeitung die Echtheit von Ausweisdokumenten und sogar deren InhaberInnen überprüfen – und so die Kundenidentifikation (Know Your Customer, KYC) effizienter und besser machen.Beim Prüfen von potenziellen GeschäftspartnerInnen und neuen Kunden bzw. Kundinnen kann KI alle zur Verfügung stehenden Daten effizient analysieren und auf ihrer Basis die Zuverlässigkeit und mögliche Risiken einschätzen.
KI kann die Bearbeitung von Kreditanträgen vereinfachen. Die Technologie kann alle relevanten Informationen schnell aus verschiedenen Dokumenten extrahieren und so die Bearbeitungszeit deutlich verkürzen.KI-gestützte Risikobewertungsmodelle können auch unkonventionelle Datenquellen nutzen, um die Kreditwürdigkeit einzuschätzen. Dadurch könnte zukünftig auch den Bevölkerungsgruppen der Zugang zu Krediten erleichtert werden, die bisher außen vor waren. Zudem helfen KI-Lösungen Banken dabei, ihre Kreditkonditionen individuell an das jeweilige Kundenprofil anzupassen und das Ausfallrisiko zu minimieren. Chatbots und virtuelle Assistenten können mit ihrer natürlichen Sprachverarbeitung viele verschiedene Kundenanfragen und damit verbundene Transaktionen automatisiert abwickeln. Die KI-gestützten Servicetools verbessern das Kundenerlebnis und entlasten die Mitarbeitenden – und das rund um die Uhr.KI-gestützte Systeme können sogar eine individuelle Finanzberatung anbieten, indem sie das Ausgabeverhalten und die finanziellen Ziele eines Kunden bzw. einer Kundin analysieren, um anschließend maßgeschneiderte Produktempfehlungen und Sparstrategien anzubieten. Zu den größten Sorgen im Zusammenhang mit KI im Banking gehören mögliche Fehler und unvorhersehbares Verhalten der Künstlichen Intelligenz. Im Gegensatz zu traditionellen, regelbasierten Systemen können KI-Modelle, insbesondere LLMs, manchmal unlogische oder falsche Ergebnisse liefern. Wenn ein LLM nicht genügend Informationen hat, fängt es gelegentlich an zu “halluzinieren” und generiert Informationen, die zwar plausibel klingen, aber erfunden sind. In der Finanzwelt können solche Fehler schwerwiegende Folgen haben. Ein weiterer Punkt: Ihre Komplexität macht die Entscheidungsfindung bei KI-Systemen oft undurchsichtig, was als “Blackbox-Effekt” bezeichnet wird. Diese mangelnde Transparenz ist problematisch für alle Banken, die aus Compliance-Gründen berechenbare Systeme benötigen. Wenn man nicht genau weiß, wie eine KI eine bestimmte Entscheidung getroffen hat, kann man sie Kunden und Kundinnen nicht verständlich erklären und es gibt möglicherweise auch Probleme bei der Prüfung durch Aufsichtsbehörden. Ein weiteres großes Risiko ist, dass KI Vorurteile beibehalten oder sogar verstärken könnte. In den USA ist das Kreditscoring reguliert, um einen fairen Zugang zu Krediten zu gewährleisten. Es dürfen nur bestimmte Daten verwendet werden und VerbraucherInnen können falsche Informationen korrigieren lassen. Die geltenden Regeln sollen nicht nur Fairness sicherstellen, sondern auch dafür sorgen, dass Kredite ihre Rolle bei der persönlichen und der kollektiven Vermögensbildung erfüllen können, indem sie in vielversprechende Projekte investiert werden.Wird ein KI-Modell auf historischen Daten trainiert, die gesellschaftliche Vorbehalte widerspiegeln, bezieht es diese Vorurteile möglicherweise in seine Entscheidungen ein. Ein KI-gestütztes System zur effizienten Kreditgenehmigung könnte dann etwa Personen aufgrund ihres Wohnorts oder ihrer Herkunft benachteiligen – ohne den tatsächlichen Umgang mit Finanzen oder ihr Potenzial zu berücksichtigen. Vielleicht erkennt die KI nicht, dass die unkonventionelle Finanzgeschichte eines Antragstellenden nur auf unglückliche Umstände zurückzuführen ist und nicht grundsätzlich für einen schlechten Umgang mit Geld steht.
Ein Beispiel: Hätte eine KI dem 18-jährigen Kylian Mbappé, der in einem Pariser Vorort lebte und eine unsichere Fußballkarriere vor sich hatte, einen Kredit gegeben? Eine KI, die Kredite prüft, würde nicht auf das Potenzial für den Ballon d'Or achten, sondern nur auf das Risiko, dass der Kredit nicht zurückgezahlt wird. KI-Systeme im Banking schaffen neue Angriffsmöglichkeiten für Cyberkriminelle. AngreiferInnen könnten etwa versuchen, die Trainingsdaten von KI-Modellen zu manipulieren, um deren Entscheidungsfindung zu beeinflussen – eine Methode, die “Data Poisoning”, also “Datenvergiftung”, genannt wird. Auch die KI-Modelle selbst werden möglicherweise zum Ziel von Diebstahl oder Wirtschaftsspionage. Diese neuen potenziellen Gefahren machen das ohnehin schwierige Thema Cybersicherheit für Banken noch komplexer. Zudem sind die Trainingsdaten für KI-Lösungen, die sich mit Zahlungsdaten oder Kreditanträgen beschäftigen, natürlich hochsensibel. Datenschutzregeln verlangen deshalb eine Einwilligung vor jeder Nutzung und es muss sichergestellt werden, dass während des Trainings und im Einsatz keine Daten abfließen. Die Implementierung großer KI-Modelle und ihr Betrieb sind teuer und ressourcenintensiv. Moderne KI-Systeme benötigen eine immense Rechenkapazität und kommen deshalb nicht ohne spezielle Hardware und große Rechenzentren aus. Der Energieverbrauch und die damit verbundenen Umweltauswirkungen großer KI-Modelle wecken Bedenken, da auch der Bankensektor zunehmend auf Nachhaltigkeit achtet.
Ein weiteres Problem: Nicht alle Finanzinstitute haben das nötige Know-how im Haus, um KI-Systeme effektiv einzusetzen. Diese Kompetenzlücke könnte zu einem Wettbewerbsnachteil für kleinere Institute führen, die dann mit KI-gestützten Innovationen nicht mehr Schritt halten können.Keine Zweifel: KI wird der Finanzwelt große Vorteile bringen, sobald unnötige Anwendungsfälle aussortiert wurden, die Grenzen der Technologie verstanden und der Künstlichen Intelligenz das nötige Risikomanagement zur Seite gestellt wurde.KI wird jedoch nicht überall zum Einsatz kommen. Regelbasierte Systeme sind die beste Lösung für die konsequente Umsetzung von klar formulierten Vorgaben – etwa das Ausschließen sanktionierter Personen. Maschinelles Lernen kann zukünftig konkrete Aufgabenstellungen überwachen, für die es geeignete Trainingsdaten gibt. Große KI-Modelle kommen darüber hinaus auch für komplexe Aufgaben infrage, wenn entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Letztlich bleiben aber Menschen die oberste Kontrollinstanz und haben die Aufgabe, die KI in ihren verschiedenen Rollen zu überwachen, sei es im Backend oder an den Kundenschnittstellen. Autos unterliegen inzwischen vielen Vorschriften – und auch für die Künstliche Intelligenz werden solche Regeln möglicherweise kommen. Die Regulierung von KI ist jedoch wegen der technischen Komplexität und des rasanten Fortschritts eine große Herausforderung. Für die Entwicklung geeigneter Rahmenbedingungen müssen Finanzinstitute, KI-Experten und -Expertinnen sowie Regulatoren eng zusammenarbeiten. Die Zukunft des Bankings und des Zahlungsverkehrs mit KI ist vielversprechend, aber diese Entwicklungen erfordern eine sorgfältige Umsetzung und eine ständige Überwachung. Finanzinstitute, die die richtige Balance zwischen Servicequalität und Sicherheit sowie Datenschutz finden, können sich im kommenden KI-Zeitalter einen echten Wettbewerbsvorteil verschaffen.
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Wie ergänzt KI die bisherigen Tools der Banken?
Statistische Modelle: Die Grundlage
Regelbasierte Methoden: Der traditionelle Ansatz
KI: Der Gamechanger
Welche Anwendungsmöglichkeiten bietet KI im Zahlungsverkehr und Banking?
Betrugserkennung und Betrugsprävention
Kreditvergabe und Risikobewertung
Kundenbetreuung
Welche Risiken birgt der Einsatz von KI im Banking?
Fehler und Unberechenbarkeit
Voreingenommenheit und mangelnde Fairness
Cybersicherheit und Datenschutz
Ökonomische und ökologische Kosten
Wie sieht die langfristige Zukunft von KI im Finanzsektor aus?
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VON XAVIER LAVAYSSIÈREExperte für digitale Finanzen, er berät Regierungen und Zentralbanken zu Finanzinfrastrukturen und Technologiepolitik.
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