Wie der Einstieg in die Selbstständigkeit gelingt: Ein Interview mit Corey Barber

Wir haben mit der Kommunikationsberaterin Corey Barber gesprochen, um zu erfahren, worauf in Deutschland beim Wechsel in die Selbstständigkeit zu achten ist und welche Tipps sie parat hat.
Lesezeit: 8 Min.
Dank einer pulsierenden Wirtschaft, einem starken sozialen Sicherheitsnetz und einer lebendigen Kreativszene ist Deutschland ein beliebtes Ziel für Expats. Ende 2023 betrug der Ausländeranteil Deutschlands knapp 14 Millionen MenschenEine Arbeitsstelle in einem anderen Land zu finden, kann schwierig sein, vor allem, wenn man die Sprache nicht spricht. Daher ist es für in Deutschland lebende Expats nicht ungewöhnlich, eine selbstständige Laufbahn anzustreben, mit der sie nicht an einen Arbeitsplatz gebunden sind und für mehrere Kunden und Kundinnen arbeiten können. Und doch können für diejenigen, die gerade erst ihre Selbstständigkeit in Deutschland aufbauen, die komplexe Bürokratie, das komplizierte Steuerrecht und das unregelmäßige Einkommen zur Herausforderung werden. Wir haben mit der Kommunikationsberaterin Corey Barber gesprochen, um von ihr mehr über das Thema Selbstständigkeit in Deutschland zu erfahren. Hier erzählt sie uns von ihrer Entscheidung für die Selbstständigkeit, wie sie ihr Unternehmen aufgebaut hat und von ihren Tipps und Tricks für neue (oder angehende) Selbstständige.

Beginnen wir direkt bei dir selbst. Kannst du uns ein wenig über dich selbst erzählen? 

Ich komme ursprünglich aus den USA und zog 2007 mit dem Plan, in der Politik zu arbeiten, nach Berlin. Ich hatte gerade meinen Abschluss am Beloit College gemacht, wo ich internationale Beziehungen und moderne Sprachen studierte. Im Anschluss absolvierte ich den Master of Public Policy an der Hertie School in Berlin. Kurz danach bekam ich bei Ärzte ohne Grenzen einen Praktikumsplatz im Team für politische Kampagnen.Im Laufe meiner Karriere arbeitete ich mit humanitären und Menschenrechtsorganisationen zusammen, zuletzt mit dem European Center for Constitutional and Human Rights. Ich habe auch für einige Konzerne gearbeitet, wo ich Erfahrungen im PR- und Kommunikationsbereich sammeln konnte. Das half mir sehr beim Aufbau meiner Selbstständigkeit. 

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Wieso hat es dich ursprünglich nach Berlin gezogen? Was macht die Stadt für Expats so attraktiv?

Als ich in Berlin ankam, war ich überrascht, wie viele Menschen in meinem Alter hier leben. Und nicht nur das, sie hatten auch ähnliche Interessen wie ich und arbeiteten für Aktivismus-Initiativen oder in der Kunst. Mir gefiel es besonders, dass in der Stadt nicht eine Karriere oder ein bestimmter Beruf im Fokus stehen – die Menschen können sich kreativer ausleben als in anderen Großstädten wie London oder New York. Natürlich hat sich seit 2007 viel verändert. Damals konnte ich mir im Prenzlauer Berg eine Schüssel Suppe mit frischem Brot für gerade einmal 2,50 € gönnen. Heute bezahlt man für die gleiche Mahlzeit wahrscheinlich 9 €. Allerdings denke ich trotzdem, dass man im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten hier noch deutlich mehr für sein Geld bekommt. 

Du arbeitest als selbstständige Kommunikationsberaterin. Wie lange bist du schon selbstständig und wie sieht deine Kundschaft aus?

Ich startete vor fünf Jahren in die Selbstständigkeit und konzentriere mich hauptsächlich auf das Gesundheitswesen und Menschenrechte. Mein Kundenstamm ist breit gefächert, hauptsächlich sind es NGOs und andere Organisationen, die sich für den sozialen Wandel einsetzen – einige im Privatsektor sind auch dabei.

Du hast auch als Angestellte gearbeitet. Wie kam dein Wechsel in die Selbstständigkeit zustande? 

Mir meine Zeit frei einteilen zu können, war mir sehr wichtig. Als Selbstständige werde ich nach Ergebnissen bezahlt. Ich muss nicht jeden Tag zu bestimmten Zeiten da sein – es geht darum, was ich produziere. Ich mag es außerdem, dass mein Kundenstamm aus verschiedenen Bereichen kommt. Das macht meine Arbeit und meinen Alltag abwechslungsreich. Ich entdecke sehr gerne neue Dinge – wenn ich denke, dass ein gewisses Thema für einen bestimmten Kunden interessant ist, schlage ich es ihm vor. All das passt gut zu meinem größeren Ziel: dem lebenslangen Lernen. Heute habe ich beispielsweise zu Gesetzen im Gesundheitswesen und zu einem Logistik-Thema recherchiert und einen Newsletter über Obdachlosigkeit in den USA verfasst. 

Welchen Prozess bist du beim Aufbau deines Unternehmens durchlaufen?

Auf dem Weg habe ich definitiv eine Menge gelernt. Ich habe geschaut, was andere Selbstständige in meinem Umfeld machen, habe viele Bücher gelesen und mich informiert, wie man sich in Deutschland selbstständig macht. Ich habe meine Einkommensziele festgelegt und überlegt, wie ich diese erreichen kann. Dann habe ich einen Fünfjahresplan erstellt und mich daran orientiert. Im Anschluss warteten so einige geschäftliche Aufgaben auf mich, wie z. B. die Beantragung einer Steuernummer, die Eröffnung eines Geschäftskontos und die Erstellung einer Website.

Kannst du uns von den Nachteilen einer Selbstständigkeit in Deutschland erzählen? 

Die größte Herausforderung für die meisten Selbstständigen in meinem Umfeld ist, sich einen Kundenstamm aufzubauen, damit man immer Aufträge hat. Projekte kommen völlig unregelmäßig rein, was für mich nicht immer leicht ist. Mal kommen alle auf einmal, dann ist es wieder ruhiger, das gleicht einer Achterbahnfahrt.Außerdem muss man sich selbst motivieren können. Wenn du Fristen brauchst, die andere für dich festgelegt haben, ist die Selbstständigkeit vielleicht nichts für dich. Zuletzt musst du wirklich lernen, alles selbst zu machen. Du bist gleichzeitig das Marketing-Team, die Buchhaltung und die Geschäftsführung, die entscheidet, wo dein Geschäft wachsen kann. Die Selbstständigkeit ist perfekt für Menschen, die gerne lernen, mehrere Aufgaben gleichzeitig machen und kreativ sind. Wenn du dich beispielsweise nur auf das Schreiben konzentrieren möchtest, könntest du ein böses Erwachen erleben, wenn du merkst, dass du dich auch um die Buchhaltung und das Wachstum deines Geschäfts kümmern musst.

Welche Strategien hast du zur Verwaltung deiner Finanzen als Selbstständige entwickelt? 

Es ist vor allem wichtig zu verstehen, wie sich das Nettoeinkommen von Selbstständigen berechnet – hier gibt es nämlich Unterschiede zu Angestelltenverhältnissen. In Deutschland müssen Selbstständige die Sozialversicherungsbeiträge selbst zahlen (einschließlich des Arbeitgeberanteils). Als ich in den Vorbereitungen für meine Selbstständigkeit steckte, habe ich intensiv überlegt, wie viel Geld ich zum Leben brauche und wie die Preise in meiner Branche aussehen. Dann habe ich eine für mich faire Preisstruktur erstellt – und keine Aufträge angenommen, die unter meinen festgelegten Sätzen lagen.Ich habe auch einige praktische Strategien, die mir bei der Verwaltung meines Budgets helfen. Ich nutze eine Buchhaltungssoftware für meine Buchführung. Außerdem habe ich ein separates Geschäftskonto, um meine beruflichen Ausgaben von meinen privaten zu trennen. Um den Überblick über meine Einnahmen und Ausgaben zu behalten, lege ich 40 % meines Bruttoeinkommens (minus 19 % Umsatzsteuer) auf einem separaten Konto zur Seite. Möglicherweise muss ich nicht alles davon für Steuern und Abgaben verwenden, aber so bin ich immer gut vorbereitet – und komme auch nicht in Versuchung, das Geld auszugeben. Für meine Geschäftsausgaben plane ich 5 % ein. Der Rest (minus meiner privaten Altersvorsorge und Krankenversicherungskosten) entspricht meinem Nettoeinkommen. 

In der deutschen Startup-Szene entfallen nur rund 21 % der Geschäftsgründungen auf Frauen. Wie interpretierst du solch eine Zahl? 

Ja, Deutschland ist nicht so fortschrittlich wie ich dachte. Ich habe hier bereits Geschlechterdiskriminierung erlebt, auch in meinem Berufsleben. Beispielsweise war ich als Frau in meinen Zwanzigern sehr überrascht zu sehen, wie sich die Karrieren meiner Kolleginnen in Deutschland entwickelten, als sie Kinder bekamen. Viele Frauen in Führungspositionen kehrten in ihre Jobs als Teilzeitkraft zurück – mit deutlich weniger Geld und Verantwortung. Für mich geht es beim Feminismus darum, die Wahl zu haben. Und sie bekamen nicht die Wahl, in ihre alte Position mit derselben Stundenzahl zurückzukehren und Familie und Arbeit zu vereinen. Ein weiterer Grund, mich für die Selbstständigkeit zu entscheiden, war, dass ich mit Menschen zusammenarbeiten wollte, die mich, mein Wissen und den Mehrwert, den ich bringe, respektieren. Die Selbstständigkeit ist für mich eine Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was ich mache, wie viel ich arbeite und für wen ich arbeite. Ich denke, dass die ganze Welt noch einen langen Weg vor sich hat, bis Frauen die gleichen Voraussetzungen bekommen. 

Was rätst du Expats in Deutschland, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen oder ihre Geschäftsidee umsetzen wollen?

Wenn du aus einer Anstellung in die Selbstständigkeit wechseln möchtest, empfehle ich, das schrittweise zu machen. Du könntest beispielsweise zunächst Stunden reduzieren und dir einen Kundenstamm aufbauen, während du noch ein stabiles Angestelltengehalt hast. Es ist auch hilfreich, wenn du bereits Erfahrungen sammeln konntest. Berufserfahrung, ein Netzwerk, auf das du zurückgreifen kannst, und Mundpropaganda können sehr hilfreich sein. Und es ist ehrlich gesagt sehr wichtig, gut mit Geld umgehen zu können! Oder dir zumindest Fähigkeiten in diesem Bereich anzueignen. Deutschland ist für Verwaltungsaufwand und Bürokratie bekannt. Allerdings ist es nicht so kompliziert, eine Steuernummer zu beantragen, die du für die Rechnungsstellung brauchst. Danach erstellst du dir idealerweise eine Website und erzählst deinem Umfeld, dass du nun selbstständig bist. Erwarte aber nicht, dass deine Kunden und Kundinnen von allein auf dich zukommen! Überlege dir außerdem, von wo du arbeiten möchtest: Möchtest du dir ein Büro oder einen Co-Working-Space mieten oder lieber von zu Hause aus arbeiten?Darüber hinaus ist es hilfreich zu wissen, wie man ein Unternehmen gründet. Sprich mit anderen Selbstständigen in deiner Branche und lerne von ihnen. Damals bin ich zu Meetup-Events, Berufsverbänden usw. gegangen. Dort erfährst du, welche Preise andere verlangen und wie man an Kundschaft kommt. Bringe dir mittels Literatur oder Podcasts Finanzplanung, Verhandlungsskills und Zeitmanagement bei. Denke über deine Stärken und Schwächen nach, um zu erfahren, was dir schwerfallen wird, und dich darauf vorzubereiten. Konzentriere dich dann auf die Umsetzung dieser neuen Routinen und Ziele. Ich wünsche dir viel Erfolg!

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